Zusammenhänge – neu gesehen
Staat und Parteien
Klaus Buschendorf
Was wären die Folgen einer einheitlichen Einkommenssteuer von 20 % und des Wegfalls aller anderen Steuern? So hatte ich am Ende der letzten Folge gefragt.
Sie brächten eine Vereinfachung der Staatsaufgaben mit sich. Vom heute riesigen Finanzamt würde die Hälfte seiner Arbeitslast genommen. Organisiere man die Verteilung der eingenommenen Steuern doch genauso einfach: Im Verhältnis seines Bevölkerungsanteils erhält jede Verwaltungseinheit (Land, Kommune) den prozentualen Anteil am Gesamteinkommen des Staates. Keine tausend Richtlinien sind mehr nötig: Gewerbesteuer für den, Kfz.-Steuer für jenen ... entfällt! Der Staat wird verschlankt durch einfache Gesetze im Steuerrecht. Und die Freiheit der Kommunen wird gestärkt, weil sie autonom mit ihrem Anteil am Steueraufkommen umgehen dürfen. Wir fordern heute Transparenz der Staatsaufgaben – so wäre sie sehr einfach zu gestalten!
Das Beispiel der Vereinfachung im Steuerrecht mit seinen Folgen sollten wir auch bei allen anderen Gesetzen anwenden. Stellen wir nicht bei jeder neuen Gesetzeseinführung fest, welche Mängel es hat? Dann kommt die Bundesregierung daher und hält die Zauberformel parat: Nachbesserung! Das könne auch nicht anders sein, da man unmöglich alle Probleme des neuen Gesetzes voraussehen könne. Wirklich nicht? Wie entstehen heute Gesetze?
Für den Bürger liegt der Anfang meist im Dunklen. In den Wandelgängen des Reichstages werden Abgeordnete von „Lobbyisten“ angesprochen: Dies oder jenes sei nötig. In den „Fraktionen“ formiert sich eine „Gesetzesinitiative“. Die beauftragt eine „unabhängige Expertengruppe“, Vorschläge auszuarbeiten. Die werden dann von der „Fraktion“ geprüft, mit dem „Koalitionspartner“ (und dessen Lobbyisten) „abgestimmt“ und schließlich eingereicht. Wer den Sender „Phönix“ verfolgt, kann dann in Live-Übertragungen vom Bundestag sehen, wie wenig Abgeordnete dann den „Gesetzentwurf durchwinken“. Schon mancher Journalist verfolgte bei solcher Entstehung von Gesetzen, wie viele Leute daran beteiligt sind, und stellte fest: Es sind erstaunlich wenig. Und die entscheidenden Sätze schreiben die „unabhängigen Expertengruppen“ – was heißt „Gruppen“, einzelne Leute darin, der Rest „winkt durch“. Wo kommen die „Experten“ her? In der Regel aus den Konzernen, welche die Gesetze betreffen. Darauf sind die Politiker stolz. Denn dort sitze ja die „größte Fachkompetenz“. Sicher. Und für wen sind solche Gesetze dann am meisten nützlich?
Damit dieser Weg der Gesetzesentstehung reibungslos funktioniert, wird „geschmiert“. Ein Schelm, der dabei an Korruption denkt, wir sind doch keine Bananenrepublik. Nach außen liegt alles in der Hand der Parteien. Wir sind schließlich eine Demokratie, alles geht legal zu. Den Parteien kann man spenden. Privatpersonen können das. Wer viel spendet, auf den wird viel gehört. Und so verteilt die Familie Quandt von BMW regelmäßig ihre Spenden an alle großen Parteien. (Natürlich nicht an die LINKE, das Schmuddelkind dieser Demokratie. Jedenfalls könnte die Familie Quandt das so sehen.) Und wenn es bei dem Gesetz um Autos geht, woher kommen dann wohl die „Experten“, welche den Politikern „zuarbeiten“? Und so sieht alles „demokratisch aus, aber wir haben alles in der Hand“ – hat das nicht schon einmal jemand so ausgedrückt, dessen Staat 40 Jahre nicht überlebte?
Und da wundern wir uns, dass unsere Gesetze immer von Anfang an jene „Schlupflöcher“ haben, die dann beim Gebrauch „bemerkt“ werden und angeblich „nachgebessert“ werden müssen – und die „Nachbesserungen“ auch nicht besser aussehen?
„Der Staat ist zur Beute der Parteien geworden“, so oder ähnlich schreiben heute viele Autoren. „Und wessen Beute sind die Parteien geworden?“, frage ich weiter. Und weil das so ist, stehen heute alle von „Parteispenden“ profitierenden Parteien fern dem Volk und nah der Lobby, den großen Konzernen. Eine Partei behauptet, dem Mittelstand nah zu sein. Handelt sie auch so, wenn sie „an der Macht beteiligt“ ist? Na ja, ein bunter, kritischer Tupfer befördert die Glaubwürdigkeit bei der „RTL-seligen Masse Volk“.
Wie verändern? Unser Wahlgesetz begünstigt die Parteien und benachteiligt die Einzelkandidaten. Das war nicht immer so in Deutschland. Bis 1918 wählte man Kandidaten wie noch heute in angelsächsischen Ländern. „Listenplätze“ konnte es nicht geben, nur „Direktmandate“ hatten Chancen auf den Sitz. Was hatte das für Folgen? Die damals fortschrittliche Sozialdemokratie konnte sogar während des Verbots ihrer Partei Kandidaten aufstellen und, weil diese Abgeordneten im Reichstag die Belange des Volkes vertraten, Stimmengewinne erzielen. Der Kandidat und seine Arbeit zählte – die Partei stand im Hintergrund. Unser heutiges Verhältniswahlrecht hat die Demokratie zur Diktatur der Monopole gemacht, aber – es sieht so demokratisch aus!
Das müsste man ändern! Die heutigen Abgeordneten werden das kaum tun, sind sie doch alle miteinander Nutznießer der heutigen Zustände. Es bleibt nur eine Alternative: Der Mann auf der Straße muss es auf der Straße tun! Er muss den Millionen aus den Gewinnen der Konzerne, welche Lobby und Parteien finanzieren, die Millionen der Benachteiligten dieser Gesellschaft gegenüberstellen! Und er muss Bundesgenossen suchen und finden. Es gibt so viele Menschen schon im Mittelstand, die nicht viel anders denken, als er selbst.
Auch der Mittelstand braucht den Mann auf der Straße. Seine elitären Netzwerke und die scharfsinnigsten Artikel in Fachzeitschriften bewegen wenig. Ohne den Mann auf der Straße bewirkt auch der scharfsinnigste Denker nichts. Als die Bürger von Paris aufstanden, eroberten in Frankreich Kaufleute die Macht. Es dauerte sechs Jahre – von 1789 – 1795. Als der Freiherr von Stein mit seinen Reformen den Bedürfnissen der preußischen Bevölkerung entsprach, entwickelte sich das besiegte Preußen zur führenden Macht der antinapoleonischen Koalition. Es dauerte sechs Jahre – von 1806 – 1813. Und: In Preußen geschah das friedlich, was in Frankreich viel Blut kostete.
Unsere Geschichte lehrt: Sie müssen sich nur finden, der Mittelstand und der Mann auf der Straße. Leider lehrt das keine Schule und kein Medium berichtet darüber. Warum wohl?
Parteien? Sie spielten bei Umwälzungen selten eine Rolle, 1789 nicht, 1807 nicht und 1989 auch nicht. Das Volk und fortschrittliche Denker brachten Umwälzungen zuwege.
Und dies ist nur ein Zipfel für ein notwendiges, neues Denken!
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